Schaltjahre voraus

Aditya Vikram Birla Aditya Birla war ein glühender Befürworter von professionellem Management, das er mit ‚gutem Management‘ gleichsetzte. Für ihn war es der wichtigste Antrieb von ‚Fortschritt, Wohlstand und ökonomischer Gesundheit‘. Bei einer Veranstaltung der Madras Management Association zur Verleihung des ‚Business Leadership Award for 1990‘ äußerte er seine Ansichten und verknüpfte sie mit seinen Erfahrungen im indischen Management und der aktuellen Geschäftsumgebung. An diese Rede wird noch lange gedacht werden, denn Aditya Birlas Weisheit im Bereich Management hat einen prophetischen Klang.

Im Firmenmanagement gibt es ein Spektrum an Aktivitäten, die berücksichtigt werden müssen, und ich würde gern die Aspekte, die von besonderer Wichtigkeit sind, kurz umreißen. Zunächst denke ich, dass die wichtigste Lektion im Management die ist, die ich von meinem Großvater gelernt habe: Große Investitionen müssen in die Auswahl, die Schulung und den Aufbau von Personal getätigt werden. Er lehrte mich auch, Vertrauen und Zuversicht in die Menschen zu setzen. Ihre Leute werden Ihnen gegenüber so loyal sein, wie Sie es ihnen gegenüber sind.

Er lehrte mich, dass normale Menschen zu außergewöhnlichen Leistungen fähig sind, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Sie müssen Ihre Leute schulen, indem Sie ihnen Autorität übertragen. Wenn Sie delegieren, werden Menschen Fehler machen, aber durch diese Fehler können Sie die Menschen aufbauen. Sie brauchen Nachsicht, Standhaftigkeit, Geduld und ein großes Herz, um die Verluste zu ertragen, die aus der Schulung der Menschen entstehen. Menschen müssen die Möglichkeit erhalten Leistungen zu erbringen.  Zögern Sie nicht, Ihre Autorität zu teilen. Als ich aus den USA zurückkehrte, gab mir mein Vater eine Industriemühle, für mich allein, ohne die Hilfe der Gruppe. Er hatte die Vision und den Mut Verantwortung zu übertragen. Ich habe sicherlich zahllose Fehler gemacht, aber die gemachten Erfahrungen waren alle Fehler wert.

Führung

Eine gute Führung ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die Tage, als der Chef automatisch die Führungskraft war, sind vorüber, und die hauptsächlichen Richtlinien beim Umgang mit dem Chef waren: Regel Nr. 1 - Der Chef hat immer Recht. Regel Nr. 2 - Wenn der Chef nicht Recht hat, gilt automatisch Regel 1!

Ich habe zahllose Beispiele gefunden, wo eine gute Führung den alleinigen Unterschied ausmachte. Verlustunternehmen wurden durch eine reine Änderung der Führung zu Profitschleudern.

Ich habe versucht zu analysieren, was eine gute Führungskraft ausmacht. Warum werden manche Menschen gute Führungskräfte? Auch hier gibt es verschiedene Qualitäten und Wege, um in puncto Führung Exzellenz zu erreichen. Einige Menschen werden durch Finanzmanagement zu Führungskräften, einige durch gutes Arbeitsmanagement und gute menschliche Beziehungen. Andere werden durch Marketing zu Führungskräften - Lee Iaccoca ist ein gutes Beispiel. Einige nehmen den Verwaltungsweg und einige den Weg der Qualitätskontrollen, andere wiederum den Weg von administrativen Kontrollen und technischem Produktionsmanagement. Wie der Geschäftsführer von Honda.

Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, wie Menschen zu Führungskräften werden, aber eines haben alle gemeinsam - harte Arbeit und Engagement. Für harte Arbeit und Engagement gibt es keinen Ersatz. Wenn ich über Engagement spreche, erinnere ich mich an die Geschichte eines Ladeninhabers, der auf seinem Totenbett nach den Aufenthaltsorten seiner Frau und seiner drei Söhne fragte. Als er sich versichert hatte, dass alle vier an seiner Seite waren, rief er alarmiert: „Wer zum Teufel kümmert sich dann ums Geschäft?“ Das ist Engagement!

Eine gute Führung kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Ich möchte gern einen Gedanken mit Ihnen teilen. Manchmal bei Missgeschicken, wenn alle Anstrengungen unternommen, aber keine Ergebnisse erzielt werden, verliert man den Mut und in solchen Zeiten hat mir der berühmte Vers von Bhagvad Gita Trost gespendet: ‚Das Geschäft dreht sich immer um die Arbeit, niemals um die Früchte‘. Wenn kommen wieder unsichere Zeiten und der Trübsinn taucht bedrohlich auf. Dann rufe ich mir ein Doha (einen Vers) aus dem Ramayana ins Gedächtnis: ‚Gewinn oder Verlust, Ehre oder Verruf, alles liegt in der Hand Gottes‘.  Dieser Vers gibt mir in stressigen Zeiten Gelassenheit und Stärke. Ich hoffe, dass Sie als Führungskräfte aus diesem Gedanken ebenfalls Stärke ziehen können.

Innovation

Von Menschen und Führungskräften komme ich nun zu einem anderen aufregenden Thema - Innovation. Das ist gleichzeitig eine Herausforderung und eine Belohnung und essenziell für Exzellenz im Management. Ich habe gelernt, dass ein Unternehmen ständig neuen Herausforderungen gegenübersteht. Wir müssen veränderliche Strategien, Ziele und unseren Zugang bereithalten, um mit ständig wechselnden Szenarien umgehen zu können. So waren die Begriffe Umwelt und Ökologie vor einem Jahrzehnt noch unbekannt. Heute sind sie allumfassend. Ein neuer Faktor ist aufgetaucht. Und wie man sich permanent diesen Herausforderungen stellen muss, so muss man für Innovationen sorgen, um zu überleben und sich auszuzeichnen.

Ich muss allerdings betonen, dass Innovationen auch Behinderungen aus der Trägheit des Status Quo begegnen, was Menschen davon abhält Innovationen zu tätigen. Dennoch müssen Unternehmen den Status Quo ständig brechen. Etablierte Normen und Methoden bei der Führung eines Unternehmens müssen in Frage gestellt werden, wenn wir voranschreiten wollen. Innovation heißt, das Vorhandene in Frage zu stellen und herauszufordern - für etwas Besseres, Aufregenderes und Lohnenderes.

Produktivität: Menschen

Lassen Sie uns jetzt über Produktivität sprechen. Es müssen dauerhafte Anstrengungen zur Verbesserung der Produktivität von Menschen und Maschinen unternommen werden. Wir müssen unsere vorhandenen Systeme verbessern, gleich, wie gut sie sind. Die Normen, die heute ausgezeichnet sind, sind morgen veraltet. Was heute unerreichbar erscheint, ist morgen eine Tatsache und übermorgen überholt. Ein Unternehmen darf nicht statisch bleiben. Es darf seine Position nicht pflegen. Entweder verbessert oder verschlechtert es sich. Wenn Sie nicht permanent danach streben, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, indem Sie ständig die Produktivität verbessern, werden Sie abgehängt.

Die Welt ändert sich schnell. Sie ist eine dynamische, schonungslose und sich ständig verändernde Umgebung. Diejenigen, die Innovationen vorantreiben, die ständig nach einer höheren Produktivität streben, werden überleben und zu Wohlstand gelangen. Die das nicht tun, werden in Vergessenheit geraten. Vergessen Sie nicht, dass es auch eine ungeheure Erfüllung und Arbeitszufriedenheit verschafft, wenn Sie etwas erreicht haben.

Wenn Sie mit Ihren Anstrengungen Erfolg haben, ist die Unternehmenswelt voller Träume, voll von Freude und Vergnügen. Wenn Sie jedoch keine Fortschritte machen, kann die Industrie zum Alptraum werden. Sie müssen ständig das Überleben und den Fortschritt anstreben. Mein Großvater pflegte zu sagen: ‚Die Industrie ist eine eifersüchtige Herrin! Sie verlangt nach dauerhaftem Umwerben.'

Produktivität: Maschinen

Ich habe festgestellt, dass bei der Produktivität von Maschinen immer Verbesserungen möglich sind. Was fehlt, sind der Wille, die Vision und das Engagement Maschinen zu instrumentalisieren, um das Beste herauszuholen. Die meiste Zeit bauen wir unsere eigenen mentalen Barrieren auf, die schwieriger zu überwinden sind als das tatsächliche Problem des Produktivitätsanstiegs.

Wie Eric Hoffer, der großartige amerikanische Philosoph, sagte: „In einer Zeit der Veränderung sind es die Lernenden, denen die Zukunft gehört. Die Gelehrten sind gerüstet für das Leben in einer Welt, die nicht länger existiert.'

Wir müssen aufgeschlossen sein; wir müssen offen gegenüber neuen Ideen, neuen Perspektiven und neuen Technologien sein und dürfen nicht unsere eigenen mentalen Barrieren und Beschränkungen aufbauen.

Ich dachte, der Vier-Minuten-Rekord für eine Meile könnte nicht gebrochen werden. Er wurde gebrochen. Es gibt nichts, was man nicht erreichen kann, vorausgesetzt, Sie sind aufgeschlossen, haben den Willen, die Ergebenheit, die Entschlossenheit, den Enthusiasmus und die Vision, um das scheinbar Unmögliche zu erreichen.

Hinsichtlich Aufgeschlossenheit sagt der Rigveda: ‚Lasst edle Gedanken aus dem gesamten Universum zu uns kommen.‘

Qualität

In der umkämpften Umgebung einer Welt, die immer mehr zusammenrückt, ist Qualität äußerst wichtig. Kurzsichtige Manager, die sich der Qualität nicht bewusst sind, werden in einer Welt ohne Grenzen verlieren.

Wenn Sie qualitätsbewusst sind, können Sie tatsächlich Produktions- und Marketingkosten senken. Die Ansicht, dass die Kosten steigen, wenn Sie Ihre Qualität aufrechterhalten, ist absolut falsch. Die natürliche Frage, die sich stellt, ist, wie können Ihre Kosten sinken, wenn Ihr Schwerpunkt auf Qualität liegt?

Die Antwort lautet:

  • Der Verschleiß unserer Maschinen wird verringert
  • Die Produktivität der Maschinen verbessert sich
  • Sie können Wartungskosten sparen
  • Sie erzielen eine höhere Arbeitsproduktivität
  • Sie erzielen eine bessere Produktrealisierung
  • Es gibt keine Beschwerden von Kunden
  • Der Verkauf an die besten Kunden, deren Bonität gut ist, führt zu einer Senkung von uneinbringlichen Forderungen

Insgesamt sind die Kosteneinsparungen wegen der Qualität nicht berechenbar. Aus diesem Grund empfehle ich dringend, dass jedes Unternehmen die Qualität als wichtigstes Ziel ausgeben muss. Wir haben das getan, und wir haben davon profitiert. Dr. J. M. Juran vertritt ähnliche Ansichten, nur anders verpackt. Er sagt: „Während Qualität kostet, kostet schlechte Qualität mehr.“

Projektmanagement

Für jedes Unternehmen muss das Fundament solide gebaut sein. Aus diesem Grund müssen bei Einrichtung von Projekten drei sehr wichtige Bereiche voll und ganz berücksichtigt werden: Zuerst müssen die weltweit besten Kenntnisse erworben werden; dann muss die beste Ausrüstung erworben werden. Machen Sie keine Kompromisse bei der Qualität der Ausrüstung, um marginale Zusatzkosten zu vermeiden. Eine billigere Maschine erweist sich letztendlich als die teuerste Wahl. Drittens muss bei Errichtung einer Anlage die minimal ökonomische Größe in Betracht gezogen werden. Bei keinem der drei Grundkriterien darf ein Kompromiss gemacht werden. Das gewährleistet ein stabiles Fundament.

Vorgeschlagenes Managementsystem

Ich möchte mit Ihnen ein Managementsystem teilen, das meiner Meinung nach effektiv ist. Wir befolgen einen Managementstil, den ich als ‚partizipatives Management durch Konsens‘ bezeichne. In diesem System werden Prüfungen und Entscheidungen in Gruppen abgewickelt. Eine Gruppe von Menschen versammelt sich, um die Arbeit des Unternehmens regelmäßig zu prüfen. Sie betrachten verschiedene Aspekte und Probleme und bereiten Handlungspläne vor. Das Treffen von Entscheidungen ist keine Ein-Mann-Entscheidung, sondern es erfolgt als Konsens-Entscheidung, die sich us der Diskussion in der Gruppe ergibt.

Von einer Person wird eine Vorgehensweise vorgeschlagen, andere bemäkeln diese, Korrekturen oder Alternativen werden geprüft. Wenn letztendlich eine Entscheidung getroffen wird, ist sie reif, ausgeglichen und gut durchdacht. Sie repräsentiert die Weisheit und das Engagement vieler Köpfe. Die Chancen, dass es eine richtige Entscheidung ist, ist weitaus größer, als wenn eine Person isoliert eine Entscheidung getroffen hätte. Ich erinnere mich an Alfred Sloan, den früheren Geschäftsführer von General Motors, der einst ein Meeting vertagte, weil alle schnell seinen Vorschlag angenommen hatten. Er äußerte: „Meine Herren, ich glaube nicht, dass Sie die Vorschläge tiefgründig studiert haben. Wir treffen uns besser wieder, wenn ich einige negative Punkte zu meinen Vorschlag hören kann.'

Management: Eine Wissenschaft oder eine Kunst?

Ich wurde oft gefragt, ob Management eine Wissenschaft oder eine Kunst sei. Ich weiß nicht, was Bücher dazu sagen. Meine eigene Wahrnehmung ist, dass Management im Grundansatz eine Wissenschaft ist. Wenn man als Buchhaltungsassistent eingestellt wird, muss er keine Kunst vollführen. Er muss einer Wissenschaft folgen. Die Wissenschaft der doppelten Buchführung. Aber wenn man die Leiter hinaufsteigt, gelangt man in ein Reich, in dem sich die Wissenschaft schrittweise in eine Kunst verwandelt, wo es keine klar definierten Handlungspläne oder Basistheorien gibt.

Es gibt keine etablierte Methode zur Entscheidungsfindung. Manchmal hat die Intuition Vorrang vor dem analytischen Geist. Auf Führungsebene gehört dann der Umgang mit Menschen zu den vorrangigen Dingen. Wie gehen Sie mit Menschen um? Dies ist keine Wissenschaft. Jeder Mensch muss  auf andere Weise behandelt werden. Das ist eine Kunst! Sie haben Ihre eigene Methode zum Umgang mit jeglicher Situation entwickelt. Diese Kunst ist etwas, das jedem Individuum eigen ist, und jeder Mensch muss seine eigene Charakteristik entwickeln.

Unternehmertum

Die indische Industrie ist erwachsen geworden. Das wurde durch ihre Unternehmer möglich. Ich habe Erfahrungen mit der Arbeit in acht Ländern, und ich finde, dass wir Inder, wenn es um Unternehmertum geht, unübertrefflich sind - in Zahl und in Qualität. Das ist etwas, worauf Indien wirklich stolz sein kann. Allerdings müssen wir das fördern, wir müssen ein Geschäftsumfeld erschaffen, in dem das Unternehmertum aufblühen kann.

Bedarf an mehr Führungskräften

Eine letzte Beobachtung: Während wir keinen Mangel an Unternehmern haben, müssen wir unseren Kader an Managern weiter entwickeln. Wir haben exzellente Management-Talente, aber nicht in der Menge, die erforderlich wäre. Dies ist ein Gebiet, auf das wir uns konzentrieren und an dem wir arbeiten müssen. Wir haben unzählige Male erlebt, dass geschäftstüchtige Inder ein Unternehmen eröffneten, aber aufgrund eines Mangels an betriebswirtschaftlichem Scharfsinn scheiterten. Wir müssen mehr professionelle Manager ausbilden und wir brauchen auch weitere führende Unternehmer, die das Talent einer Führungskraft und eines Unternehmers vereinen.

Unternehmer können träumen, aber welchen Nutzen hat ein Traum, wenn es keinen Manager oder keine Führungskraft gibt, die diese Träume Realität werden lassen. Wir brauchen beides. Wir brauchen die Vision der Unternehmer ebenso wie ein gutes Management der Führungskräfte. Ich erinnere mich an Shri Krishna und Arjuna. ‚Wo immer Krishna, der Yogeshwar, der Denker, der Visionär, und Arjuna, der Bogenschütze, der Vollstrecker sind, findest du Glück, Sieg und Wohlstand.'

Unternehmer werden geboren. Führungskräfte werden gemacht.