Lasst die Konkurrenz uns fürchten!

“Wir haben keine Angst vor der Konkurrenz.“

Aditya Vikram Birla Aditya Vikram Birla war ein glühender Anwalt der Liberalisierung. Bei einer Konferenz, die die Zeitschrift Euromoney organisiert hatte, befürwortete er intensiv die ökonomischen Reformen, die seit 1991 implementiert wurden, und umriss das neue Gesicht Indiens kraftvoll und gleichzeitig eloquent. In einer Rede, an die man sich noch lange erinnern wird, rief er ausländische Investoren auf, die Hand für eine gleichberechtigte Partnerschaft mit indischen Unternehmen zu reichen und von den sich entfaltenden Möglichkeiten zu profitieren. Mehr als alles andere würden seine Worte das neu gefundene Vertrauen der indischen Unternehmer symbolisieren.

Hier finden Sie einen Neudruck der Rede, die er am 22. März 1994 in Neu Delhi hielt.

Euromoney hat mich eingeladen, zu folgendem Thema zu sprechen: ‘Die indische Industrie - Die Möglichkeiten der Globalisierung’. Ich fragte mich, warum. Vielleicht gibt es dafür zwei Gründe: Der erste Grund könnte der Fakt sein, dass sie mich als einen Menschen sehen, der in den vergangenen eineinhalb Jahren international sechs Roadshows für die Vermarktung indisch-europäischer Stammaktien führte. Der zweite Grund könnten die wegbereitenden internationalen Vorstöße unserer Gruppe und ihre gegenwärtig substanzielle Anwesenheit im Ausland sein.  Wir wollen zuerst meine Erfahrungen aus den Roadshows und ihre Relevanz für die indische Globalisierung teilen. Bei meiner ersten Roadshow war die Frage der meisten von Ihnen, von denen ich nun einige persönlich kenne: ‚Wie hoch ist der Rabatt zum Marktpreis?‘ - eine Reflexion auf Indiens Bewertung zu diesem Zeitpunkt. Bei der zweiten Roadshow war die häufigste Frage: ‚Zu welchem Kurs-Gewinn-Verhältnis verkaufen Sie, und warum sollten wir, als internationale Investoren, indische Stammaktien zu einem viel höheren KGV kaufen als in Mexiko, Thailand, Taiwan und Südkorea? Bei der dritten Roadshow war die Frage, mit einer Spur von Respekt: ‚Zu welchem Aufpreis werden Sie Euro-Stammaktien verkaufen? Bei der vierten Roadshow, bei der man vor Indien großen Respekt hatte, wurde gefragt: ‚Herr Birla, zu welchem Aufpreis werden Sie Euro-Stammaktien verkaufen und würden wir eine anständige Zuteilung erhalten?‘ Das zeigt mehr als alles andere deutlich, wie sich die Wahrnehmung Indiens im Zuge seiner Globalisierungsbemühungen verändert hat.

Die weltweite Einrichtung von Joint Ventures und letztlich die Einladung globaler Unternehmen auf Indiens Boden und die Vereinigung mit ihnen auf verschiedenen Gebieten.

Heute bietet Indien aufregende Investitionsmöglichkeiten. Der Konsum schlägt Wurzeln und es gibt deutliche Zeichen dafür. Bis vor kurzer Zeit hielten sich die Banken bei Verbraucherfinanzierungen zurück.  Heute gibt es nicht nur Banken, sondern auch eine Reihe von Finanz-, Leasing- und Mietkauf-Unternehmen, die Finanzierungen zur Verfügung stellen, um die Konsumausgaben anzufachen. Es wird einen Boom in der Nachfrage geben und das wird einen Multiplikator-Effekt auf alle Arten von Industrien haben. Der wachsende Bedarf von 210 Mio. Menschen der Mittelschicht wird ein Wachstum über das gesamte ökonomische Spektrum hinweg sicherstellen.

Dr. Manmohan Singh versuchte mit seinen früheren Haushaltsplänen im Allgemeinen und mit diesem Haushaltsplan im Besonderen, die indische Industrie weltweit konkurrenzfähig zu machen. Dies tat er über strukturelle Anpassungen. Der Finanzminister bewegte sich auch vorwärts, um die Rupie zu einer frei konvertierbaren Währung zu machen. In diesem Kontext, wenn wir über die Umtauschsätze sprechen, die in der Vergangenheit herrschten, muss ich an die Zeit denken, als ich am MIT studierte und ernsthaft krank wurde. Meine Mutter musste sich  bei der Reserve Bank of India für Devisen bewerben, nur, um ihren leidenden Sohn zu besuchen. Sie musste vier schrecklich lange Tage warten, um die Devisen zu bekommen. Als sie nach dem Besuch bei mir zurückkehrte, dankte sie dem Mandarin der RBI für den Gefallen, den er ihr getan hatte. Sie erwähnte, dass sie gerade vom Besuch ihres leidenden Sohnes, der am MIT in Cambridge studierte, zurückgekehrt sei. Die Antwort, die reine altmodische Bürokratie widerspiegelte, war, warum sie Cambridge im Vereinigten Königreich besucht habe, wo das RBI doch nur Erlaubnis zum Besuch der Vereinigten Staaten gegeben habe. Die Bürokraten wussten nichts von der Existenz eines Cambridge in den USA neben dem Cambridge in Großbritannien. Seitdem haben wir einen langen Weg zurückgelegt!

Weit reichende und dramatische Veränderungen haben in allen Bereichen industrieller Aktivitäten stattgefunden. Und alle diese Schritte führen zur Globalisierung der indischen Industrie.

Die indische Industrie litt bis vor wenigen Jahren an einem Mangel an Technologie und beginnt jetzt wieder zu heilen. Die indische Industrie, die ortsabhängig zersplittert ist und sub-optionale Kapazitäten hatte, konsolidiert sich jetzt und beginnt mit dem Aufbau von Betriebsverfahren im Weltmaßstab.  Der Eindruck und die Vorstellung mancher über die primitive oder geringe Größe unserer Betriebsverfahren ist jetzt nicht länger vollkommen wahr. Gestatten Sie, dass ich diese aufgeklärte Versammlung nur über unsere Gruppe informiere, denn die kenne ich am besten:

  • Auf dem Gebiet der Isolatoren sind wir der fünftgrößte Produzent weltweit;
  • Auf dem Gebiet von Rayon-Faser sind wir der größte Produzent weltweit;
  • Bei Ruß sind wir als Gruppe der sechstgrößte Produzent weltweit;
  • Bei Palmöl sind wir weltweit der zweitgrößte Produzent.

Das ist die Geschichte von nur einer Gruppe. Und es gibt mehrere Gruppen, die weitaus aggressiver sind als unsere. Die indische Industrie ist erwachsen geworden. Die Regierung und die Industrie arbeiten heute Hand in Hand und Seite an Seite. Auf dem Weg nach vorn kann uns jetzt niemand mehr aufhalten.

Wir verfügen in Indien über verschiedene unwiderstehliche Pluspunkte. Wir sind eine blühende Demokratie, die nur wenige Länder genießen können. Wurzeln der Demokratie, die so tief reichen, finden Sie in Rumänien, Polen, Thailand, Indonesien, auf den Philippinen oder in China nicht.

Außerdem haben wir in Indien ein etabliertes Rechtssystem. Vielleicht beschweren Sie sich über ein Übermaß an Gesetzen, aber zumindest haben Sie hier ein Gefühl von Sicherheit, von Rechten und Privilegien.  Dann haben Sie den Vorteil einer großen Bevölkerungsdichte und eines großen Marktes. Anders als in China kommt uns in puncto potenzieller Marktgröße keiner nahe.

Wir verfügen auch über einen riesigen Talentpool mit mehr als 3,5 Mio. an wissenschaftlichem und technischem Personal, das in Englisch geschult ist und dessen Qualität und Kosten unerreicht sind. Indien verfügt über einen gut entwickelten Kapitalmarkt. Wir haben 21 Börsen mit mehr als 2.000 aktiv gehandelten Anrechtsscheinen, verglichen mit 220 in Indonesien, 354 in Thailand, 423 in Malaysia, 235 in Singapur und 181 auf den Philippinen. Bei China weiß man es nicht.

Liberalisierung und Globalisierung haben ihre interessanten und helleren Seiten. Wenn wir glücklich und privilegiert genug wären, um von unserem Premier- oder Finanzminister zum Dinner in diesem neuen ökonomischen Szenario eingeladen zu werden, würde man uns Kentucky Fried Chicken und kein berühmtes Punjabi Tandoori, das so köstlich ist, servieren. Glücklicherweise bin ich Vegetarier, daher wäre die rettende Gnade, dass ich vielleicht eine Pizza von Pizza Hut bekäme. Der indische Gaumen gewinnt wahrscheinlich durch Liberalisierung. Und ich darf natürlich nicht vergessen hinzuzufügen, dass wir die Wahl zwischen Coca-Cola und Pepsi zur Pizza haben. Das Indien von heute hat wirklich samt und sonders den roten Teppich ausgerollt. Das ist die Zeit, um zuzuschlagen - wenn das Eisen heiß ist.

Das ist die richtige Zeit, um von den Investitionsmöglichkeiten zu profitieren. Das liegt nicht nur im Interesse Indiens. Es ist nicht der Versuch ‚India Inc.‘ zu verkaufen. Das ist ein gleichberechtigter Dialog. Wir sprechen über gegenseitige Vorteile. Lassen Sie uns Partner im ökonomischen Fortschritt und dem Wohlstand sein, den Indien mit der Globalisierung der indischen Industrie bietet.

Lassen Sie mich nun meinem Finanzminister nacheifern, zumindest beim Halten von Reden, denn bei der Haushaltsplanung kann ich das nicht tun. Lange vor unserer Zeit zeichnete Rabindranath Tagore, Indiens berühmter Philosoph und Poet, die Vision eines globalen Indien. Seine Gedanken wanderten zur Gitanjali, dem Werk, für das er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Er schrieb ‚Wo der Geist ohne Angst ist und das Haupt hoch erhoben wird; wo die Welt nicht in Fragmente zerbrochen wurde von engen häuslichen Wänden; wo ein unermüdliches Streben seine Arme nach Perfektion ausstreckt; wo der Geist von dir vorwärts geführt wird, in sich ständig erweiternde Gedanken und Handlungen; in diesem Hafen der Freiheit, mein Vater, lass mein Land erwachen.‘